AUFHORCHEN! „Widerstand der Worte“ Feature von Lars Meyer (DLF 2021)

Sie ringen beide mit sich und den Nationalsozialisten. Ilse Aichinger (1.11.1921-11.11.2016), nach dem Krieg ein Star der deutschen Literatur, ist 1938 in Wien als sogenannte Halbjüdin von der Welt verlassen. Sie muss um ihr Leben, das der Schwester und der Mutter fürchten. Sophie Scholl (9.5.1921-22.2.1943), nach dem Krieg die Ikone des deutschen Widerstands, trägt ein BDM-Halstuch, ist aber bereits wegen ideologisch verdächtiger Äußerungen degradiert worden.

In Briefen, Tagebüchern und literarischen Notizen suchen beide nach Orientierung und Halt, um der Zeit zu widerstehen. „Die härtesten Maßstäbe“ will Scholl an sich anlegen, und Aichinger notiert nicht weniger radikal: „Schreiben kann man wie beten eigentlich nur, anstatt sich umzubringen.“ Aichinger und Scholl sind sich nie begegnet, jedoch in ihren Schriften und Gedanken nah.

Ilse Aichinger erfährt von Sophie Scholl erst, als diese bereits tot ist.

Gut zehn Jahre später – Ilse Aichinger ist auf dem Weg, die große Hoffnungsträgerin der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur zu werden – studiert sie Aufzeichnungen von Hans und Sophie Scholl. Eine kommende Generation werde beide zum Kostbarsten rechnen, „was von unserer Zeit geblieben ist“, schreibt sie. Sie hätten einen Widerstand „von ganz innen her“, einen „Widerstand des Lebens.“ Ihre eigenen Schriften aus jenen Jahren zeigen eine erstaunliche Verwandtschaft zu denen von Sophie Scholl.

Moderation: Tobias Barth