Anett Krause (Literaturwissenschaftlerin), Monika Heinrich (Sendungsmacherin der RadioCoraxSendung"Emmas Töchter"), Alex Körner (tagesaktuelle Redaktion), Elke Prinz (Sendungsmacherin "Frauenleben") und Dr. Katja Kauer (Autorin des Buches "Popfeminismus! Fragezeichen! Eine Einführung") diskutieren über feministische Positionen und Sackgassen.
Das gesamte Gespräch wird am Freitag, 4. März, 15:10 Uhr auf Radio CORAX.
Anett Krause: Gegenwärtig erleben wir massenmedial, dass "Frauenthemen" wieder relativ weit oben auf der Agenda stehen. In der Politik wird mal wieder über Frauenquoten in börsendotierten Unternehmen diskutiert. [Das heißt, wenn Corax sich nun mit Feminismus beschäftigt, ist Corax wieder ganz weit vorn. Ausserdem steht ja der internationale Frauentag kurz bevor.] Nun ist Feminismus ein Schlagwort, das Anlass für Missverständnisse gibt. Auf der einen Seite denkt man vielleicht an Alice Schwarzer und alte Emma Ausgaben. Auf der anderen Seite wird uns in gesellschaftlichen Diskursen seit einiger Zeit vermittelt, dass der neue Feminismus ganz anders aussieht – eher wie Charlotte Roche oder Helene Hegemann. Grundsätzlich sind feministische Perspektiven nicht unbedingt etwas mit dem man ein ödes Partygespräch aufmöbeln würde. Noch immer gibt es ein Langweiler-Image. Ein Image, das man so umschreiben kann, dass es da um Frauen geht, die nur jammern und vermutlich keinen Mann abbekommen haben. Um einen fluffigen Einstieg hinzubekommen: Könnt ihr mir kurz eure persönliche Motivation verdeutlichen, warum ihr euch mit Feminismus auseinandersetzt. Für mich etwa ist Feminismus eine geisteswissenschaftliche Perspektive. Ich hab kein Unterdrückungserlebnis vorzuweisen, welches mich zum Feminismus gebracht hat.
Monika Heinrich: Die Stigmatisierung, die z.b an Alice Schwarzer festgemacht wird, zieht sich für mich wie ein rotes Tuch durch die Auseinandersetzung. Ich denke an Oskar Lafontaine`s Satz: "Emanzen verhüten mit dem Gesicht". Vieles funktioniert im Dienste der Abwehr; "ich will da nicht dazugehören"[…] Meine Mutter las "Die Frau im Sozialismus" – ich konnte damit nichts anfangen. Das hat 30-40 Jahre gedauert. Mittlerweile habe ich recht viel recherchiert, vieles bei Olympe de Gouges gefunden, die vor 200 Jahren ausgemacht hat, dass Bürgerrechte nur für Männer galten. Erst heute bin ich mir richtig meines "Frauseins" bewusst…
(((Anett: ..du vertrittst also eher eine Position, die sich ganz explizit mit der Thematisierung von Unterdrückungsmechanismen auseinandersetzt.)))
Elke Prinz: Ich bin in der DDR aufgewachsen und ein wenig auf dem Nachholtripp. Für mich war das Wort Feminismus lange nicht exisitent; in der DDR hieß es ja schlicht Gleichberechtigung und Emanzipation. Ich interessiere mich stark für Geschichte und versuche – z.b in meiner Sendung – die Geschichte der Frauen darzustellen. Verschwiegenes, unbekanntes, unterdrücktes über die Frauenbewegung will ich erzählen: das umtreibt mich[…] Feminismus beginnt für mich im 17 Jahrhundert – das sind fast 400 Jahre. Da ergibt sich vieles, was ich bewusst machen möchte. Gleichzeitig ist Feminismus für mich sehr aktuell und beides zu vermitteln ist mein Antrieb.
Anett: Es soll hier auch um verschieden Positionen des Feminismus gehen. Dir geht es – so würde ich das zusammenfassen – um eine Perspektive, die auch von einer Mariginalisierungserfahrung ausgeht. Und gleichzeitig arbeitest du historisch, um in Erinnerung zu rufen, was verschüttet wurde[…]
Monika: [Einwurf] "Ich muss zur Quelle zurück, um zu wissen, warum der Brunnen vergiftet ist."
Alex Körner: Kurz anekdotisch: Ich war vor einiger Zeit bei einem Konzert. F.S.K.(Freiwillige Selbstkontrolle) spielte und der Sänger Thomas Meinicke meinte in einer der Ansagen: "Ich als Feminist[…]". Das löste doch recht interessante, nicht allzu positive, Reaktionen im Publikum aus. Und das bei einem Publikum, dass sich selbst eher als links, alternativ und aufgeklärt beschreiben würde. Darüber hinaus habe ich häufiger mit politischen Gruppen zu tun, die sich durchaus antisexistisch positionieren, deren Praxis aber von posenden Typen bestimmt wird[…] Aus meiner Sicht ist Feminismus Teil von Gesellschafts- und Herrschaftskritik.
Katja Kauer: Mir bedeutet Feminismus viel, obwohl ich gar nicht genau benennen kann, was Feminismus ist. Mit 18, als ich in die Uni kam, wollte ich Feministin sein. Allerdings lehnte ich ab, dass ich aufgrund meiner Weiblichkeit unterdrückt wurde. Das war undenkbar. Eine Position, die ich auch noch in meinen Büchern vertrette, wo ich mich stark von den Positionen einer Alice Schwarzer abgrenze. Allerdings glaube ich auch, dass diese Differenzen zwischen sogenannten Alt und Jung Feministinnen ein Fehler ist. Da sitzten wir einem neoliberalen Mythos auf[…] Mittlerweile, seit ich meinen Doktortitel habe, merke ich allerdings sehr wohl geschlechtsspezifische Unterdrückung im Universitätsbetrieb. Der Egalitätsfeminismus der 70er Jahre, die Position, die die Gleichheit von Mann und Frau anstrebt, ist nicht meine Position. Auch den Gynozentrismus, also die Idee "Frauen seien ganz anders – ihr Gehirn tickt anders, weil sie eine Vagina haben", teile ich nicht. Dennoch: Ich glaube, dass es verschieden Positionen gibt, die als feministisch zu bezeichnend sind und niemand sollte dabei ausgeschlossen werden.[…]
Anett: Bleiben wir bei den Ansätzen. Es gibt jene aus den 70er Jahren. Dann andere Perspektiven, die teilweise nahezu gegenteilig sind. Meine Perspektive wäre auch eine, die Feminismus als ein Teil von Herrschaftskritik ansieht. Ich könnte auch von einem Nebenwiderspruch sprechen, der sich aus einer kapitalistischen Gesellschaftsform ergibt. Das ist eine andere Ausgangsposition als die von Monika …
Monika: Prinzipiell: Mir ist es müßig mich über Seiten in Büchern zum Thema auszulassen – ich versuche es zu leben. Ich habe eine Vorstellung vom Matriarchat, also einem Mehr an Weiblichkeit, und das ist eine friedlichere Vorstellung […]
Anett: Würdest du sagen, dass Feminismus für dich vor allem die Stärkung weiblicher Perpektiven auf Seiten der Männer bedeutet? Um es platt zu sagen; "Männern klar machen, wie wichtig Frauen sind."
Monika: Auch. Das hat viel mit Selbstwahrnehmung, Selbsterkennung zu tun. Die Frage; Was hab ich mit mir machen lassen, warum? Bereits früh, in der Pränatalen Phase – wie willkommen ist ein Kind, wenn es männlich, wie, wenn es weiblich ist – , mache ich Unterschiede aus, die Geschlechterungerechtigkeit erzeugen.
Anett: Apropos Schwangerschaft. Da hatte ich gerade eine Marginalisierungserfahrung. Ich hab gerade ein Kind bekommen und es nicht gestillt. Das war der größte aller Fauxpas, den ich machen könnte. Jede Person, der ich das erzählte, egal ob Frau oder Mann, alle waren sich einig: Ein Mutter, die nicht stillt; das kann keine richtige Mutter sein. Von daher kann ich dir da nicht zustimmen; Positionen, die Weiblichkeit marginalisieren müssen nicht zwingend männliche sein.
Alex: Nicht ohne Grund gibt es einen neueren Theoriestrang, der die Einteilung männlich/weiblich wieder hinterfragt und auf die Funktion dieser Unterteilung, dieses sozialen Konstrukts hinweist. Damit kann ganz gut erklärt werden, warum es Unsinn ist von "typisch männlich/typisch weiblich" zu sprechen. Das wäre der eine, der "queere" Ansatz. Zu den älteren: Bei der Forderung nach "gleichen Rechten", beim Gleichheitsansatz, stellt sich ja die Frage woran sich orientiert wird. Hieße Gleichstellung nicht Assimilation – Orientierung an Werten, die das Falsche stützen?
Katja:[…] Im übrigen sind meine Unterdrückungserfahrungen vor allem welche, die ich von älteren Frauen erfahre[…].Es gibt auch einen Unterschied zwischen politischen und akademischen Feminismus. der die Bipolaritäten dekonstruiert…
Elke:…Beim politischen Feminismus wird häufig auf Deutschland geschaut und gesagt; "Merkel als Kanzlerin und 30% der Minister sind Ministerinnen, also Frauen. Das ist doch ein Traumwert." Nur agieren diese Frauen nicht anders als Männer. Ein feministisches Bewusstsein gibt es nicht. Aus feministischer Sicht ist das kontraproduktiv.
Monika: Dem möchte ich widersprechen. Immerhin sind nun Frauen präsent und – mit der Zeit – kommt da sicher auch ein anderes Verhalten.
Anett: Aber schafft diese Kollektivierung der Frauen, denen Worte wie "Freundlichkeit, Sanftmut" zugeschrieben werden, nicht neue, stärkere Formen der Ausgrenzung?
Monika: Wir haben so viele männliche Attribute übernommen…
Anett: ..aber wer ist den wir?
Monika: Wir Frauen…Jetzt können endlich auch mal Männer weibliche Attribute übernehmen und leben.
Alex: …was sind für dich männliche, was weiblich Attribute?
Monika: Sensibler, gefühlsbetonter sind Frauen[…]Männer sagen kaum "mir tut mal was weh".
Alex: Genau damit reproduzierst du Geschlechterklischees. Mir fallen bei deinen "weiblichen Attributen" immer auch konkrete Männer ein, die diese Eigenschaften besitzen. Warum bleibst du bei diesen Begriffen, wenn es offensichtlich immer Gegenbeispiele gibt?
Monika: Ein Beispiel: Hier bei Corax, bei einer Feier: da werden keine Spiele gespielt, da ist jede Kerze zu viel..da wird über Arbeit gesprochen und das an einem Feiertag. In einer Frauengruppe wird getanzt, gesungen..
Anett: …nochmal zu meiner Frage von vorhin: Schafft das nicht neue Ausgrenzung? Du nennst Stichworte "Gemütlichkeit,Kerzen und Singen" in einem Kontext von einer Kollektivierung unter Weiblichkeit. Dann grenzt das all jene aus, die mit den Stichworten nichts anfangen können. Polemisch gefragt: Was ist mit denen, die kein Problem mit Diskussionen haben und keine Kerzen wollen?
Monika: Mir geht es um soziales Zusammenleben, auch um Rituale[…] Und: Ausgrenzung gibt es immer. Jeder Verein, der eine Satzung hat, grenzt die aus, die nicht im Verein sind.
Anett: Nochmal zur Unterscheidung der feministischen Positionen. Das was du(Monika) vertrittst meint, dass Männern weibliche Qualitäten schmackhaft gemacht werden sollen. ..
Monika: Und umgekehrt…
Anett: … Du knüpfst Eigenschaften an das Geschlecht. Das ist das Gegenteil von dem, was Alex angesprochen hat und meines Wissens auch die Position von Katja ist..
Katja: Ich glaube ich verstehe natürlich sehr gut, was Alex meint, weil es so zusagen meine akademische Position ist. Ich verstehe aber auch sehr gut, was Monika meint. Das Problem, und da würde jetzt meine Popfeministische Strategie dazukommen, wäre schon, dass man ruhig sagen kann, es gibt zum Beispiel weibliche Werte und männliche Werte, was Monika möchte. Männer sollen die weiblichen Attribute mit annehmen. Frauen die männlichen. Nur die positiven natürlich. Was ich aber als Popfeministin ganz wichtig finde ist, dass man diese so genannten weiblichen und so genannten männlichen Attribute überhaupt nicht mehr an biologischen Geschlechtern festschreibt, sondern das spielerisch meint. Also z.B. spielerisch sagt, "ich bin eine Frau, ich mag Kerzen", aber das schon in einer Position der Ironie und ich glaube das ist die einzige Möglichkeit, um solche Bedürfnisse zu bedienen. Es ist natürlich so, dass bestimmte sagen, die typischer Weise Frauen zugeschrieben waren marginalisiert werden. Wenn man aber daher kommt und sagt, "ja, das sind weibliche Werte und diese Werte sollen in die Gesellschaft." Dann passiert genau das, was Anett beschreibt. Dann begibt man sich selbst in eine Außenseiterposition. Trotzdem weiss ich, dass das rein queere Verständnis, was akademisch so inspirativ ist und für mich auch total wichtig ist. Das kann man nicht permanent leben. Wenn Monika jetzt in ihrem Verein, dass dort jetzt Spiele und Kerzen mit rein kommen und das weiblich nennen, dann sagt meine popfeministische Position, dann darf sie das. Aber dann darf sie das nur unter dem Vorzeichen, dass sie sagt, "sozialisiert weiblich" und nicht für alle Frauen geltend. Ich glaube ich hab das ein bisschen zu einfach dargestellt. Aber ich hoffe ihr wisst, was ich meine. Popfeminismus bedeutet für mich dass man gymnozentrische Strategien der 80er Jahre, also weibliche Werte, weibliche Biologie. Und queere und performative Ideen der 90er Jahre für den Kontext angepasst benutzt. d.h. wenn ich in eine Geburtsklinik gehe, dann argumentiere ich, ich, die totale queer-theoretikerin bin, männer und frauen gibt es gar nicht, sind nur so sozialisiert, dann argumentiere ich auch gynozentrisch, nur eben in den Kontext angepasst. Und ich glaube, diese Fähigkeit müssen wir lernen, wenn wir von weiblichen Werten reden. Das wird die nächsten 20 Jahre nicht aufhören, dass man sagt, Kerzen sind weiblich und stinkende Socken männlich. Man soll eben als halbwegs bewusster Mensch wissen, dass das Attribute sind und dass das nichts mit Biologie und mit wirklichen Männern und Frauen zu tun hat. Ich finde auch manche männliche Werte total toll. Ich sag ja immer ich bin Feministin und Maskulinistin. Dass wir das aber nicht immer auf die Biologie festschreiben.
Monika: Ich möchte das auch nicht und ich kann das sehr gut verstehen. Und ich denke, dass so wie Alex argumentiert, das ist der zweite Schritt vorm ersten. Weil, was sind 20 Jahre. Das ist doch albern. Also, 600 Jahre vor der Zeitrechnung haben sich Frauen darum gekümmert, was sie als arme Wittwen machen, weil ihnen, wenn sie alt genug sind, Männer nicht mehr attraktiv zur Verfügung stehen, weil die suchen sich doch alle ne Junge. Das ist damals schon der Fall gewesen und das ist heute immer noch so. Also es ist immer nur eine Arbeit, zu gucken. Es geht nicht um Gleichheit. Es geht um gleiche Rechte für alle. Und da war bis vor nicht all zu langer Zeit die Frau noch zu dumm zum Lesen. Also in so fern könnte man sagen, vor 100 oder 200 Jahren war es noch so, dass Männer sagten, "du bist ne Frau, du musst nicht lesen". Dann ist Lesen plötzlich eher weiblich und schreiben auch.
Katja: Und deshalb soll man aufpassen …
Monika: Ja, aber man muss die Basis schaffen, dass auch Jungen Zeit und Raum finden, das tun zu können. Es sind ja wenige Jungen, die Tagebuch führen. Warum kommen die nicht dazu? Warum wird das bei Jungen verlacht? Weil es was Mädchenhaftes ist. Und das finde ich eben nicht gut. Und da guck ich, wie ich heute agiere. Ob das immer klappt, ob das immer wichtig ist, also da können wir in 20 Jahren noch mal drüber reden.
Katja: Dann sind unsere Jungs groß, also Anetts und meiner, und werden die feministische Weltrevolution anzetteln. Nein, das war jetzt nur polemisch. Ich hab auch immer ganz große Angst, bei Deinem Beispiel war total passend, dass man eben vor nicht all zu langer Zeit gesagt hat. Guckt Euch die mysogien-theoretiker, guckt Euch die weiblichen Gehörne an, die können ja nichts anderes als dekorieren. Und wenn man das, was sozusagen naturalisiert wurde, so unbesehen übernimmt, obwohl ich trotzdem auch eine Freundin davon bin, dass man das, was als traditionell weiblich gilt, ruhig in die Gesellschaft mit einbringen kann. Vielleicht nicht alles. Nicht unbedingt Spielchen spielen, aber Kerzen. Nein, aber ihr versteht, was ich meine. Es war Ironie.
Monika: Aber Spiele sind doch schön, da lernt man sich nämlich kennen, und das soll nicht sein.
Anett: Ich glaube, das haben wir jetzt relativ deutlich gemacht, wie diese Position zu verstehen ist und was sie auch für ein emanzipatorisches Potential haben kann. Die andere Position wäre dann die Position von Alex, der genau diese Position ja ganz stark kritisiert. Vielleicht kannst Du noch mal versuchen, ein bisschen klar zu machen, was der Punkt an der Kritik dieser Gleichheitsvorstellung ist. Die ja trotzdem das nicht die Hauptforderung ist, am Anfangspunkt dieser Perspektive steht.
Alex: Noch einmal ganz kurz Bezug nehmend. Natürlich ist es vor 150 Jahren eine extremistische Forderung im Wortsinn radikale Forderung gewesen, dass Frauen wählen dürfen. Heute wird man wenige Politikerinnen und Politiker finden, die das als extreministisch einstufen. Natürlich muss man da auch schauen, da würde ich Euch beiden tatsächlich zustimmen. Die Kritik am Gleichheitsansatz ist zum einen aus queerperspektive, was übrigens nicht meine Perspektive ist, denn da gibts aus meiner Sicht zu kritisieren. Es ist immer die Frage an wem orientiert sich die Gleichheit und was ist tatsächlich das Ziel dieser Orientierung. Und wenn ich nun ein Ideal hab. Man kann das an einem konkreten Beispiel machen. Die Frauen, nicht als konkrete Personen, sondern ganz abstrakt. Sollen jetzt Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Sie sollen quasi so wie die Männer auch seit Jahrhunderten, sollen auch ihre Ware Arbeitskraft verkaufen, um mit einem marxistischen Vokabular anzukommen. Wo ich die Frage stellen würde, warum schaut man denn nicht auf eine Funktion des Ganzen? Natürlich ist es absolut sinnvoll aus einer kapitalismuskritischen Sicht, dass Frauen auch arbeiten sollen. Stellt sich die Frage, warum sollen sie es vorher nicht. Warum verzichtet der Kapitalismus darauf, das 50 % der Menschen nicht arbeiten. Und das ist etwas, das bei einem Gleichheitsansicht, aus meiner Sicht komplett hinten runterfällt. Also ne Perspektive, die über das "wir wollen genauso sein wie die, wie die, die die Herrschaft ausüben." Auch das kann man kritisieren, weil ich glaube, dass mittlerweile sind Herrschaftsstrukturen ganz anders organisiert werden. Es gibt nicht mehr die Befehlsgeber, sondern es funktioniert wesentlich differenter. Man kann viele Bücher lesen über Selbstzwang. d.h. es gibt nicht mehr die Repression, die uns entgegen kommt. Die Frage zum Gleichheitsansatz ist, was ist damit gewonnen mit dieser Gleichheit, was ist damit gewonnen, dass Frauen arbeiten dürfen? Und gleichzeitig die Frage, ist es denn überhaupt so, sind nicht weiterhin, wenn man schaut, dass Frauen immer noch 20 Prozent weniger verdienen, d.h. man hat mit einem Antifeminismus zu tun, der bei Christina Schröder zu finden ist. Man muss gucken, warum argumentiert die so. Warum argumentiert die antifeministisch? Ich glaube mit einem Gleichheitsansatz kommt man da nicht sehr weit. Ich glaube aber auch, dass man mit einem queeren Ansatz nicht sehr weit kommt, wenn man sagt, Frauen und Männer gibts doch gar nicht.
Anett: Ne, natürlich nicht, weil es letztlich ja auch Wurscht ist, ob es sie gibt oder nicht. Es gibt aber trotzdem eine gesellschaftliche Realität, die sie praktizieren. Jetzt könnten wir uns theoretisch natürlich über soziale Konstruktion unterhalten. Damit kann man Bücher füllen, aber ein politischer Feminismus, der sich ja auch als emanzipatives Projekt versteht und in dem es letztlich um die Veränderung gesellschaftlicher Strukturen geht, wird mit einem queeren Ansatz auf Dauer nicht richtig voran kommen. Das ist schon ganz klar. Aber, wenn man die Frage stellt, was denn der emanzipative Anspruch wäre, glaube ich, sind das unterschiedliche Dinge, die dabei rauskommen. Wenn man Monikas Ansatz konsequent zu Ende verfolgt und fragt, was soll denn dabei rauskommen, was wäre denn die Zielvorstellung einer Gesellschaft, in der feministische Perspektiven gar nicht mehr nötig wären, weil alles spitzenmäßig ist, so dass man sich darüber keine Gedanken mehr machen muss. Wie sollte denn diese Gesellschaft aussehen?
Elke: Für mich ganz persönlich steht nicht so sehr die Frage nach den Gleichheiten im Vordergrund – wo und wie soll Gleichheit geschaffen werden. Sondern für mich, aus meiner persönlichen Erfahrung heraus, ist viel wichtiger die Ungleichheiten sowohl in der Gesellschaft, als auch in der biologischen Determinierung Männer-Frauen. Es gibt ja nicht nur Männer und Frauen, aber das führt jetzt auch zu weit. Wo sind also die Ungleichheiten heute noch, wo sind sie in den letzten Jahren gewesen, was hat sich da getan? Ich würde mich mittlerweile durchaus auch als Feministin bezeichnen. Wo stehe ich da als Feministin, wo steht der Feminismus da überhaupt. Also Feminismus mit einer ganzen Bandbreite an Theorien. Aber die praktikablen Lösungen, die da drin stecken, sind so vielfältig. Und ich denke es gibt da für jeden Menschen, nicht nur für Frauen, Ansätze zum nachdenken und nachhaken. Und durchaus auch als Anleitung zum Handeln um die eigene Situation, um die Situation der Geschlechtsgenossinnen und -genossen, bis hin zur Situation der Gesellschaft zu verändern, zu verbessern.
Monika: Zu der Arbeitssituation würde ich gerne noch etwas sagen. Das ist natürlich total schwierig, wenn ich Frauen auf dem Arbeitsmarkt haben will und man dann sagt, "ja, die Frauen müssen ja die gleiche Qualifikation haben, ich geh nach Qualifikation und nicht nach Quote." Aber die Chance wurde den Frauen nicht in jedem Falle so eingeräumt. Und da wäre die Quote dann wieder gut. Viele Frauen sind heute was geworden, die vor 20 Jahren noch Quotenfrauen waren. Denen tat das gut, weil die Frau braucht auch Zeit, um sich dahin zu entwickeln. Der Boden ist ja gar nicht entsprechend fruchtbar. Die Frau ist ja der Boden, die immerwieder eine neue Generation auf die Welt bringt. Und wenn die Frau nicht in Ruhe und nicht in Sicherheit und nicht entsprechend versorgt ist. Es gibt Zahlen, dass Frauen Mütter werden wollen, aber sie haben vielleicht nicht unbedingt den Mann dafür. Viel mehr Frauen würden gerne Mütter werden, als Männer Väter. Dann sagt sie sich, naja, ich will meine Karriere und arbeite dann erst einmal und stelle das Kinder kriegen hinten an und dann ist es aber vielleicht zu spät. Aber, wenn die Sicherheit gegeben wäre, und da würde ich nicht immer nur von Gleichheit reden, nur von gleichen Rechten und gleicher Arbeitsteilung, wenn eben auch egal welcher Vater, ob der Nachbar oder sonst wer, oder der Vater Staat dafür sorgt, dass die Frau, die dann so gebildet ist, auch einer Arbeit nachgehen kann und ihr sichergestellt ist, dass sie ausreichend Freizeit hat, dass sie ausreichend ihr Kind versorgen kann. Und das ist alles noch ein Haken. Wenn ich sage, mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt, ist das alles sehr lustig. Aber die Frauen müssen eben auch das Recht haben und die Männer natürlich auch. Manche Männer, die Familie haben ackern sich zu Tode, bis sie umfallen, das bringt es ja auch nicht. Dann möchte ich daran erinnern, dass zu allen Zeiten in der Geschichte. Ich sage es mal profan, wenn die Kacke am dampfen war, wenn die Wirtschaft am Boden lag, wenn der Krieg vorbei war, wusste man immer Frauen zu aktivieren, um sie in die Wirtschaft, in die Arbeitsbereiche hineinzubekommen.
Anett: Aber möglicherweise wäre das ja ein Punkt, um anzusprechen, worin denn eigentlich die Funktion der Fernhaltung der Frauen vom Arbeitsmarkt derzeit besteht. Ich würde da die kühne These wagen, dass es nicht daran liegt, dass wir Frauen sind.
Monika: Es liegt daran, dass die Arbeitsplätze immer weniger werden und wenn man sich die wenigen Arbeitsplätze dann noch geteilt werden müssen, was macht man dann mit dem Heer der Männer? Man hat ja jetzt in der Jugendkultur schon festgestellt, welche Wege das nehmen kann …
Alex: Da erwächst sich wieder ein ganz starker Antifeminismus. Der Konzernchef, der mit Gendermainstream-Kampagnen umsorgt wird, dem ist ja klar, dass sein Job eben auch von einer Frau ausgeführt werden kann. Da stösst das ja auf ein Ressentiment, weil es eben auch etwas ist, was von oben herab geführt ist – das Beispiel Gendermainstreaming sei da angeführt. Und wo man die Frage stellen kann, ob es nicht eher der Weg einer Selbstemanzipation der wäre, dass man soweit gehen müsste, dass das Gendermainstreaming, so wie es existiert bekämpft werden sollte, weil es eben eine ganz klare Funktion hat. Anett: Eine Funktion, die nicht in der Wahrung der Rechte für die Frauen besteht. Denn Mainstreaming-Geschichten sind ganz klar ökonomische Arbeitsmarktinstrumente, denen es nicht darum geht, etwas für die Frauen zu tun. Das ist nur der Deckmantel unter dem sie daherkommen.
Monika: Das ist eine Diskussion von den Grünen, die kenne ich von Anfang an. Ich finde Gendermainstreaming inzwischen gut, aber es wird nicht wahrgenommen. Es wird nicht genutzt. Es müsste ja auch umgekehrt sein. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in alle Berufsgruppen, wo Frauen hineindrängen abgewertet werden. Und in Berufsgruppen, in die Männer hineindrängen, die werden aufgewertet. D.h. wenn endlich Männer auch Kindergärtner oder Kosmetiker wäre, würde die Berufsgruppe mindestens aufgewertet werden und dann würde eine gleiche Entlohnung stattfinden, wie beim Autoschlosser. Aber dazu braucht es eigentlich auch Väter. Es gibt viele Beweise dafür, dass Kinder, Mädchen, die von Vätern aufgezogen werden, in solche technischen Berufe gegangen sind, die also von einem Vater also auch viel gelernt haben. Wo sind die Väter? Man kann gut gucken, wie sich das alles entwickelt anhand unserer Geschichte. Da gibt es viele Beispiele. Das tut Not. Gendermainstreaming wird nicht genutzt. Das Genderbudgeting wird nicht genutzt, dass das Geld für Frauen genauso eingesetzt wird wie für Männer. Wir sind da am Anfang. Das ist albern zu denken, dass da was passiert. Das dauert 500 Jahre. Da kann man gucken, wieviel gebe ich für Fussball aus und wieviel für Mädchen-Schach.
Anett: Wobei es nicht hilfreich ist, die eine marginalisierte Kulturform gegen die andere auszuspielen. Mir gehts noch einmal darum, klar zu machen, dass man fragen sollte, worin die Funktion von Marginalisierung besteht. Ich habe den Eindruck, dass wir das noch immer nicht thematisiert haben. Ich glaube, und ich bin ein großer Gegner von Gendermainstreaming wie auch ein großer Gegner der Frauenquote, weil ich eben glaube, dass die Funktion sowohl einer solchen Quote als auch dieser Gendermainstreaming-Geschichten nicht darin besteht irgendwas für die Rolle der Frau zu tun, sondern, weil sie ökonomische Instrumente sind, um eine Ökonomisierung und Effektivierung von Arbeit voranzutreiben, um Dinge praktikabler zu machen im Sinne einer kapitalistischen Struktur. Und dass es da natürlich die Weiblichkeit härter trifft, als die Männlichkeit ist das was ich am Anfang ein bisschen polemisch als Nebenwiederspruch bezeichnet habe. Das ist aber natürlich ein Punkt, um den es sich zu bemühen gilt. Da will ich gar nicht falsch verstanden werden. Ich denke aber, dass es wichtig ist, sich die Strukturen anzugucken, die solche Mechanismen hervorbringen, weil es ansonsten ein herumdoktern an der Oberfläche bleibt, was zu nichts führt. Denn in der Tat kann man sich die Frauenbewegung der letzten 200 Jahre angucken und muss wahrscheinlich dann feststellen, dass sich die Mechanismen der Unterdrückung so stark gewandelt haben, dass man mit Prinzipien und Ideen, die vor 200 Jahren ein ganz großes emanzipatives Potential hatten in den Machtstrukturen, die heute herrschen wahrscheinlich nicht besonders weit kommt. Und deswegen wäre ich immer dafür stark zu machen, dass eine differentere Sichtweise und auch anerkennen verschiedenster Formen weiblicher Subjektivität. Nämlich auch Frauen, die Kerzen doof finden, auch das ist wieder polemisch, soll aber bloss klar machen, was ich mit weiblicher Subjektivierung meine, die wesentlich mehr Gestalten kennt, als die die hier zur Sprache gekommen sind.
Katja: Das Buch einer englischen Feministin, Angela McRobbie, hat meinen Horizont total erweitert. Das Buch wurde von der deutschen Queer-Theoretikerin Sabine Hark herausgegeben. Angela McRobbie sagt, dass dieser Turbo-Kapitalismus, in dem wir jetzt leben, notwenigerweise den Antifeminismus braucht. Weil die jungen, weiblichen Subjekte heranwachsen mit dem Gefühl "Yes, you can", also alles ist möglich und so für den Arbeitsmarkt fit gemacht weden. Dass aber in dem Moment, einem die Bewusstheit eintreten würde, dass eben doch nicht alles so funktioniert, dass das eine ganz starke zersplitternde Wirkung auch für die Gesellschaftsstrukturen oder die Machtmechanismen an sich hätte, auf die Anett und Alex hinweisen. Ich habe noch keine Theorie wie sich das verschränkt. Sollte man die Machtstrukturen generell kritisieren und dann klärt sich Feminismus als Nebenwiederspruch auf. Oder soll man, wie die englische Feministin vorschlägt, ruhig am Feminismus festhalten, den Antifeminismus als Kapitalismusstrategie offenlegen und dadurch die größeren Effekte erzielt. Ich finde, dass die Dekonstruktion des Antifeminismus wirklich dazu dienen kann, die größeren Machtstrukturen offenzulegen. Ich finde Feminismus ist der richtige Weg für gesellschaftliche Veränderung.
Monika: Ich könnte mir gut vorstellen, dass man in 100 Jahren sich über unsere Diskussion kaputt lacht, weil wir leben in einer patriachalen Struktur und in einem kapitalistischen Staat. Es ist logisch, dass das alles so gehändelt wird, wie es momentan gehändelt wird. Es geht gar nicht anders. Ich müsste eigentlich im Grunde genommen das Grundsystem ändern. Weil darauf baut sich alles auf. Es ist einfach albern, wenn ich heute sage, ich möchte ganz was anderes, aber es geht gar nicht. Im Grunde genommen dürften wir alle 4 Stunden am Tag arbeiten und den Rest könnten wir sonst etwas machen und es würde für alle reichen. Das ist einfach schlecht aufgeteilt. Das ganze Grundsystem haut nicht mehr hin. Das hat Marx aufgezeigt, der war ein Sohn seiner Zeit. Und da könnte man anknüpfen. Wir wollen alle Demokratie, wie haben wir das je gelernt. Auch das ist ein kollektiver Prozess, der über Generationen hinweg gelernt werden muss. Wir müssen üben und anfangen.
Elke: Für mich steht und fällt Feminismus/Antifeminismus auf jeden Fall in Zusammenhang mit der Ökonomie. Wir haben ökonomische Verhältnisse, damit müssen wir erst mal zurecht kommen. Es hat sich ja in der Geschichte vielfach gezeigt, dass die Frauenbewegungen auf der Seite der fortschrittlichen Kräfte stande. Dass sie die bestehenden Herrschafts- und Sozial- und Ökonomischen Verhältnisse verändern wollten. Das teilweise auch geschafft haben und in der nächst höheren, besseren Gesellschaft, dann im Prinzip auf einem neuen Level fast von vorne anfangen mussten. In der DDR war das ausgesetzt. Dort war ja die Frau scheinbar gleichberechtigt. Aber gerade, wenn ich an die DDR-Zeit zurückdenke. Ich habe in einem Männerberuf Karriere gemacht. Ich wurde gleich bezahlt, wie ein Mann an meiner Stelle. Zur Wende dann bin ich doppelt heruntergefallen, weil ich als Frau in einem Männerberuf nicht Fuss fassen konnte, dann war ich auch mittlerweile zu alt und dass ich eben auch meine ideologisch, theoretische Bildung, meine Überzeugung, erst mal -wie so viele- überprüfen und teilweise neu denken musste. Als Feministin habe ich im Prinzip ständig das Problem, ich muss das, was ich als Theorie verinnerlicht habe bzw. als richtig oder machbar erkannt habe, um etwas zu verändern, egal in welchem Maße, jeder Zeit durch die sich rapide ändernden gesellschaftlichen, ökonomischen Verhältninisse, die immer verschärfter werden in der Unterdrücken von Frauen. Dass ich das jederzeit überprüfen muss, als Feministin und als Frau. Was kann ich da tun? Denn gefallen lassen möchte ich es mir persönlich nicht. Und da gibt es viele Frauen, aus der Generation unserer Mütter, das ist nicht die richtige Gesellschaft, die bietet uns als Frauen keine Entfaltungsmöglichkeiten, keine Möglichkeit uns selbst zu verwirklichen mit den Ansprüchen, die wir haben. Mit den Sehnsüchten, dass wir für unsere Kinder ein sicheres Leben haben wollen. Als Feministin, egal welcher Richtung, wo ist da mein Platz, wo kann ich mich einbringen, wie kann ich dafür kämpfen, eintreten, dass es für mich und andere besser wird?
Alex: Ich finde es erst mal schön, dass wir hier tatsächlich da core gehen, dass feministische Kritik auch gleichzeitig Ökonomie-Kritik ist, dass beides nicht voneinander zu trennen ist. Zwei Anmerkungen hätte ich noch: Zum einen, was Katja vorhin gesagt hat, dass der Kapitalismus den Antifeminismus braucht. Gleichzeitig braucht er aber auch den Feminismus. Er zieht sich Argumentationen zu, um sie nutzbar zu machen. Und die zweite Anmerkung ist: Ich glaube es ist auch wichtig zu schauen, dass Feminismus nicht immer nur fortschrittlich ist. Dass es auch wichtig ist zu überprüfen, wo Feminismus regressiv wird. Es gibt nicht ohne Grund Figuren, wie Frau Schröder, die wir angesprochen haben …
Anett: … die sich allerdings, das muss ich ganz kurz mal einwerfen, sich alle wahrscheinlich nicht als Feministen begreifen würden. Also Angela Merkel und Christina Schröder heutzutage als Beispiel für Feministen zu bringen, finde ich heutzutage auch eher schwierig. Das würden die wahrscheinlich auch selber schwierig finden. Das hängt natürlich mit einer Struktur zusammen, die da sagt, wenn Du Dich für die Rolle der Frau stark machst und sei es nur in deiner Funktion als Familienministerin, die du als Quotenfrau bekommen hast, dann bist du wahrscheinlich Feministin. Das ist ja so eine gängige Vorstellung von Feminismus.
Alex: Es gibt nicht ohne Gründe mittlerweile auch den Bund deutscher Frauen, wo sich NPD-Frauen mit den gleichen Begriffen beschäftigen, mit Emanzipation usw., dass das aber einen ganz anderen Hintergrund hat, warum sich Frauen zusammenfinden, um das deutsche Volk vom Aussterben abzuhalten. Und da sieht man tatsächlich noch mal, was hat das für eine Funktion. Da wird durchaus ja auch völkisch argumentiert. Bleiben wir bei dem Beispiel, die Deutschen sollen nicht aussterben, also hat die Frau Kinder zu produzieren.
Anett: Also man kann das auch am Beispiel Gendermainstreaming machen, warum sollen die Frauen auf den Arbeitsmarkt? Damit es mit der Wirtschaft läuft, wo doch jetzt ein großer Fachkräftemangel droht und die Bevölkerung so alt wird. Da geht es nicht um die Wirtschaft. Und die Wirtschaft ist ja nun nicht zufällig der Nutznießer der Frau als Arbeitskraft, sondern natürlich deswegen, damit sie den Reichtum der Nation. Das ist eine ganz nationalistische Struktur. Da finde ich auch sehr wichtig, was Alex sagt. Da muss man aufpassen, wo da eine emanzipative Idee, der sich mit dem Wort verbindet, nicht genau so wie er fortschrittliche Perspektiven beinhalten kann, das genaue Gegenteil, nämlich ganz repressive Strukturen zur Folge haben kann.
Monika: Ich möchte das noch ergänzen. Würde aber sagen, es geht sehr wohl um die Frau und Wirtschaft natürlich. Aber der Frau muss ich doch weniger Geld geben. Da gehts natürlich wieder um die Wirtschaft. Dem Mann kann ich nicht so wenig anbieten. Deshalb sind die Frauen interessanter. Die ganze Entwicklung des Frau seins, wir sind ja als Lebewesen erst mal überhaupt das beste Zuchtobjekt , das es gibt. Von unserer Weiblichkeit und unserer Mütterlichkeit doch schon ein Stückchen entfernt. Das beweisen ja auch die Zeiten, als es im 19. Jahrhundert losging mit den Entbindnungen, das hiess schon gar nicht mehr gebähren, heute ist es schon so, dass immerhin schon fast ein Drittel der Frauen in den USA sich für einen Kaiserschnitt anmeldet.
Anett: Da hab ich nach so einer Zentralerfahrung plötzlich total Verständnis für.
Monika: Ja, aber wo kommt das her? Das hat was mit Weiblichkeit zu tun.
Anett: Ich glaube, dass es auch ein Ausdruck von weiblicher Selbstbestimmung ist, zu sagen, ich möchte auf diese Art und Weise mein Kind bekommen.
Monika: Das können wir heute so formulieren. Aber, wenn ich nicht in der Lage bin mein Kind zu bekommen, weil mir über Generationen das gruselig dargestellt wird, Kinder kriegen tut doch weh, das macht Angst, das ist dann einfach so. Natürlich könnt ihr, in Euerm Alter, natürlich noch nicht so denken. Ich habe das auch erst betrauert, dass es anders lief, als ich keine Kinder mehr kriegen konnte. Ein bisschen weil ich auch zu dumm war, ich war ein bisschen sehr jung noch. Ich hab meine Kinder auch ich gestillt, die sind heute älter als ihr, aber die leben auch. Das kann ich heute betrauern, ich würde es mir für meine Enkeltochter wünschen, dass sie da andere Voraussetzungen bekommt. Wir sind doch auf dem Weg und da können wir nur gucken, wo können wir voneinander lernen …
Anett: Aber wo der Weg hingeht ist glaube ich nicht ganz klar, also wo der Weg hingeht, ich glaube, da haben wir auch keine …
Monika: Wir haben eine große Kraft als Frau.
Anett: Das ist unbestritten, aber diese Wegmetapher, die beinhaltet ja auch ein Ziel und ich glaube dieses Ziel ist hier nicht ganz einheitlich zu formulieren. Ich glaube auch, dass das gar kein Problem ist und tatsächlich sogar gut und dass Frauen ihre Kinder heute bekommen können wie sie wollen und das vielleicht nicht betrauern, dass sie den Weg des geringsten Widerstandes gegangen sind, halte ich persönlich für einen Fortschritt und …
Monika: Ich halte es nicht für einen Fortschritt, ich halte es für eine Möglichkeit und die ist derzeit auch legitim.
Anett: Ja, und das finde ich z.B. gut.
Elke: Für mich ist als Frau und Mutter ist es wichtig, dass Frauen die Möglichkeit der Wahl haben. Wofür sie sich letztendlich entscheiden, das sollte jeder Frau und der Situation überlassen sein.
Katja: Aber grundsätzlich finde ich auch, dass der Geburtsmediziner, der redete davon, Frauen sollen ganz ganz große Schmerzen haben, das ist wichtig für sie, das bringt sie weiter, das finde ich dann total gruselig, wenn Männer sagen, Frauen sollen Schmerzen haben, weil das ist ein Glückserlebnis, dann habe ich erst mal zwei Stunden geweint und entschlossen keine Schmerzen zu haben. Ich verstehe was Monika meint, und ich habe die entgegengesetzte Position, es ist doch ganz schwierig, dass immer noch Geburtsmedizin in männlicher Hand liegen bzw. von Männern dominiert werden und auch wenn Frauen Gynäkologen sind die Männermeinung übernehmen, also Frauen sollen Schmerzen haben.
Anett: Aber schlimmer finde ich persönlich, die Übernahme einer solchen männlichen Perspektive auf Geburtsschmerz durch Frauen.
Katja: Also männlich in Anführungsstrichen, dass dann auch die Hebammen sagen, die Natur hat alles super eingerichtet. Schmerzen gehören dazu. Bis zur Geburtshilfe ist jede vierte Frau gestorben bei der Geburt. All diese Argumente finde ich sind männliche Argumente, und auch ökonomische Argumente.