Viktor Jerofejews epischer Roman ist ein brillantes Schelmenstück, das vom Aufstieg Putins handelt, der als Großer Gopnik das verkörpert, was eigentlich nicht möglich sein sollte: einen Halbstarken, einen Rowdy, einen Proll, der nicht nur bis in die höchste Machtzentrale vordringt, sondern sich dort auch hält. Das kann sich nur jemand ausgedacht haben! Aber wer? Jemand, der von seiner Mutter für talentlos gehalten wird und dessen Vater wegen der Veröffentlichung eines kritischen Texts seinen Posten als hochrangiger Diplomat verliert, ein Autor, der niemals so radikal wie seine Schwester O. sein wird, die dem postsowjetischen Russland mithilfe der Pornografie den Spiegel vorhält, und der trotzdem mehr als einmal aus dem Schriftstellerverband fliegt und heute im Exil in Deutschland lebt. Und so erzählt Jerofejew die Geschichte des heutigen Russlands aus der Perspektive des Schriftstellers – dem es freisteht, sich durch Zeit und Raum zu bewegen, Figuren auf- und abtreten zu lassen, Dinge dazuzuerfinden und Erlebtes, Gehörtes und Gesehenes als Schwindel zu entlarven. Jerofejew wagt nicht weniger als eine literarische Erklärung für das, was heute passiert: Der Große Gopnik ist eine rasante und ironische, zuweilen auch zynische Bewegung durch Zeit und Raum, in der sich Stalin, Putin und die Eltern des Schriftstellers, seine Schriftstellerkollegen und seine Frauen wie zum Abendessen an einem Tisch wiederfinden, um die eine unlösbare Frage zu stellen: Wie konnte es nur so weit kommen?
Viktor Jerofejew, 1947 in Moskau geboren, wurde weltweit bekannt durch seinen 1989 erschienenen und in 27 Sprachen übersetzten Roman Die Moskauer Schönheit. 1979 wurde er wegen seiner Beteiligung an der Literaturanthologie Metropol mit von der Zensur verbotenen Texten verschiedener Autoren aus dem Schriftstellerverband der UdSSR ausgeschlossen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gab er diesen von ihm als »Röntgenapparat, der die ganze Gesellschaft durchleuchtete« bezeichneten Almanach in einer Reihe neu heraus. Zudem ist er Herausgeber der ersten russischen Nabokov-Ausgabe. Er schreibt regelmäßig für die New York Times Book Review, DIE ZEIT, die FAZ und DIE WELT und gilt als kritischer Intellektueller wie auch als einer der bekanntesten russischen Gegenwartsautoren.
Moderation: Alexander Suckel
Dolmetscherin: Jana George
„Souvenir“ ist eine Veranstaltungsreihe des Netzwerks der Literaturhäuser in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung und mit freundlicher Unterstützung der Klett-Gruppe.
Eintritt: 8.00 €/ 5.00 € ermäßigt