KONTEXT
Während sich auf europäischer Ebene langsam eine Aufwertung von Bürgermedien bzw. Community Media abzeichnet, geraten die Bürgermedien in Deutschland bundesweit fast überall unter Legitimationsdruck. Das ist nicht nur eine Folge der knapper werdenden öffentlichen Haushalte, sondern auch Ausdruck von Entwicklungen in Medien und Gesellschaft. So scheint mit der rasanten Entwicklung von Online-Verbreitungsmöglichkeiten auch von Audio und Video ein wesentliches Argument für die Bürgermedien überholt: das des freien Zugangs und der freien Meinungsäußerung. Im Fokus der Digitalisierung scheint es manchmal. als sei das innovative Potential von Bürgermedien verbraucht: In so gut wie keinem Feld, das heute diskursiv Medien und Innovation verknüpft, spielen Bürgermedien als nichtkommerzielle private Rundfunkveranstalter eine größere Rolle. Zugleich geraten Konzepte wie ‘Innovation’ oder ‘Qualität’, ‘politische Öffentlichkeit’ oder ‘Journalismus’ selbst in eine Krise, weil ihnen die Koordinatensysteme, innerhalb derer sie definierbar sind, abhanden zu kommen scheinen.
Sind Bürgermedien ein Modell von gestern? Einige Bundesländer verneinen das und prägen ihrerseits ein Funktionsverständnis von Bürgermedien, das einseitig einzelne Leistungsparameter absolut setzt: etwa die Medienkompetenzförderung, die publizistische Versorgung des Lokalraums oder gar die berufsorientierte Ausbildung. Auch wenn all das zweifelsohne zu dem Leistungsspektrum von Bürgermedien zählt: Es fehlt ein übergreifender, aus den Bürgermedien selbst entwickelter Diskurs über Visionen, die den eigenen Sektor als innovativen und einzigartigen Akteur in der Medienlandschaft wieder neu kenntlich machen und dabei zugleich die Koordinaten bestimmen, innerhalb derer Ansprüche und Kriterien medienübergreifend formulierbar sind. Höchste Zeit, Initiativen zu ergreifen, denn im Gegensatz zur überwiegenden politischen Wahrnehmung sind partizipative und nichtkommerzielle Rundfunkmedien bestens geeignet, ganz verschiedene gesellschaftlich relevante Leistungen zu erbringen und dabei auch noch hochinnovativ zu sein. Allerdings kann das bedeuten, dass auch die Bürgermedien selbst sich ändern werden und die nichtkommerzielle private Rundfunklandschaft perspektivisch ein neues Gesicht erhält. Als geeignete Form, gemeinsam und medienübergreifend über Perspektiven und neue Initiativen nachzudenken, bietet sich eine Zukunftswerkstatt an, die auf Grundlage gemeinsamer Problemdefinitionen und fachlicher Inputs vor allem Raum lässt für einen offenen Dialog und die gemeinsame Arbeit an Ideen.