Zum Verkauf der „Reil78“: Soziokulturelle Orte sind Teil einer attraktiven Stadt

Brief der halleschen Stadt- und Zivilgesellschaft an die demokratischen Mitglieder des Stadtrates

170 Bürgerinnen und Bürger, Vereine, Initiativen und Unternehmen aus Halle wenden sich in einem Brief an den Stadtrat, dem Antrag der CDU-Fraktion – den Verkauf des Grundstücks der Reil78 an ihre Betreiber:innen und Nutzer:innen rückgängig zu machen – nicht ihre Stimme zu geben. Der Brief ist hier vollständig nachzulesen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der kommenden Sitzung des Stadtrats haben Sie zu entscheiden, ob der Beschluss des vorherigen Stadtrats zum Verkauf des Objekts in der Reilstraße 78 an dessen langjährige Betreiber:innen rückgängig gemacht werden soll. Wir wenden uns an Sie als gewählte Stadträtinnen und Stadträte und wollen Sie auf drei Aspekte aufmerksam machen:

Die „Reil78“ ist eine Institution in unserer Stadt, die über viele Jahre tausende Menschen besucht haben. Bei den jährlichen Sommerfesten, zu Vorträgen, Konzerten, Feiern und Filmvorführungen, zu Workshops für Jugendliche, zum Sport und zu Angeboten für Familien. Sie ist fester Teil der Kunst- und Kulturszene unserer Stadt. Kultur und Kunst brauchen Räume, um stattfinden zu können: Spielstätten, Ausstellungsflächen, Vorführungssäle und Begegnungsorte. Die „Reil78“ ist ein solcher Raum, der gerade für jene Möglichkeiten schafft, die ohne große Produktionsbudgets arbeiten müssen.  Als soziokulturelles Zentrum ist die „Reil78“ auch ein Labor für neue Projekte in unserer Stadt. Hier finden Menschen einen Raum, um ihre Ideen einzubringen, gesellschaftliche und politische Aushandlung zu lernen und gemeinsam Initiativen zu starten und damit unsere Stadt mitzugestalten. Diese Erfahrung, sich mit anderen in unsere Stadt einzubringen, ob in Vereinen, Parteien, Kirchen, Gewerkschaften oder soziokulturellen Zentren, schafft die Grundlagen für eine aktive Bürgerschaft.

Für den geplanten Kauf des Objekts in der Reilstraße 78 durch die langjährigen Betreiber:innen haben sich Menschen aus unserer Stadt zusammengetan, um gemeinsam mit erfahrenen Partner:innen in das Objekt und unsere Stadt zu investieren. Sie wollen Verantwortung übernehmen für den Betrieb und die bauliche Sanierung. Sie sind bereit, wirtschaftliche Risiken zu tragen, damit Bauleistungen erbracht und Kredite bedient werden und das Objekt dauerhaft der Spekulation entzogen wird. Diese Investitionen sind nur möglich, wenn sie das Objekt von der Stadt kaufen können. Es geht nicht um ein Geschenk, sondern den Kauf durch die, die hier investieren wollen.  

Unsere Stadt wird auch in den kommenden Jahren darauf angewiesen sein, dass Menschen unsere Stadt nicht verlassen und zusätzlich Menschen nach Halle ziehen. Neben Arbeit und Wohnraum suchen Menschen in einer Stadt einen attraktiven Lebensort. Kunst- und Kultur, Freizeitangebote, Möglichkeiten sich einzubringen, eine lebendige Stadt, die in Bewegung ist und durch die Menschen mitgestaltet werden kann – all das ist wesentlich für eine attraktive Großstadt. Die Entscheidung über den Verkauf ist auch eine standortpolitische. Großstädte sind dort attraktiv, wo sie Unterschiedlichkeit bieten und leben. Sie ziehen dann Menschen an, wenn sie deren Mitgestaltung ermöglichen und ihre Investitionen in den Standort nicht frustrieren.

Wir wissen, dass nicht alles, was in den vergangenen Jahren in der „Reil78“ Raum gefunden hat, Ihnen persönlich gefallen wird. Gute Standort-, Kultur- und Stadtpolitik macht jedoch nicht die eigenen Vorlieben zum Maßstab für alle in der Stadt, sondern hält Unterschiedlichkeit nicht nur aus, sondern erkennt sie als Grundlage gesellschaftlichen Miteinanders in Freiheit an.

Als Unterzeichnerinnen und Unterzeichner gestalten wir unsere gemeinsame Stadt vielfältig mit. Wir bitten Sie nun für ein Projekt aus dieser Stadtgesellschaft, dem in Rede stehenden Antrag nicht Ihre Stimme zu geben.

Zuletzt weisen wir darauf hin, dass Mehrheiten, die absehbar nur mit den Stimmen der Feinde der Demokratie zustande kommen können, keine demokratischen Mehrheiten sind – sondern nur formell durch demokratische Verfahren legitimierte Mehrheiten – und Jenen Macht geben, die niemals wieder Macht bekommen dürfen.

Unterzeichner:innen in alphabetischer Reihenfolge

Jakob Adolphi AIDS-Hilfe Halle/Sachsen-Anhalt Süd e.V. Petra Altmann Schmuckraum Dana Andr, Schmuckgestalterin in Halle Saale Anwohner*innen-Initiative Adam-Kuckhoff-Straße AWO Regionalverband Halle-Merseburg e.V. Joseph Bartz N. Bauer, Jugendbildungsreferent Bauspielplatz Freiimfelde PD Dr. Volker Best, Vertretungsprofessor für Regierungslehre und Policyforschung an der MLU Meike Boldt Albrecht Carl Brandt, Musiker, Vorstand des Jazzkollektiv Halle e.V. Katharina Brankatschk, Regisseurin Matthias Brenner, Schauspieler, Regisseur Sören Brenner, Schulbeauftragter für den Bereich Halle der Ev. Kirche in Mitteldeutschland (EKM) Sandra Bringer / Institut für Festkultur Helge Bruelheide Buchdruckatelier38 Bündnis Merseburg für Vielfalt und Zivilcourage Wolfgang Burkart für das LUCHS KINO am Zoo Felix Buschek Café Ludwig CAT Kurierkollektiv GbR Vorstand des Ceck e.V. Clown Visite Halle (Kinder Direkthilfe e V.) Crummes Eck Dr. Daniel Cyranka, Universitätsprofessor für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie Sarah Deibele Bernadette Deibele Lukas Doleschal Theresa Donner, Inhaberin ‚heiter bis wolkig“ Buchhandlung Georg Dörrwand Drehkreuz.Halle Druck_zuck GmbH Marcel Ecke Christoph Eichert, Pfarrer der Evangelischen Paulusgemeinde Halle Sarah Einzel Dorothea Elias Valentin Endraß Joshua Eydam Friedemann Fanenbruck, format filmkunstverleih Feminismen e.V. Paul Fiedler, Teilnehmer Projekt „Tagebuch der Gefühle“ Freiraumgalerie/Wall & Space e.V. Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis e.V. Friedenskreis Halle e.V. Prof. Dr. Torsten Fritzlar, Professor für Mathematik- und Mediendidaktik an der MLU Eva Geiler, Kulturmanagerin Annett Göhre Paul Grundmann Mikhail Gusev Annemarie Gust, Sozialarbeiterin in der Jugendarbeit Kaschka Häder, Crummes Eck e.V. Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage, Initiatorin des Briefes Hallesche Jugendwerkstatt gGmbH Jascha Hannover, Filmemacher Juliane Hartung Hanna Henke, Pfarrerin Marc Herrmann Anja Hildebrandt hr.fleischer e.V. Micha Hübel Johannes Hübner Torsten Illner Alexander Jost  Junges Forum der DIG Halle Jakob Junghans, LL.M.oec , Jurist Karola Konvoi vom Jugend und Kulturverein Halle e.V. Kellnerstraße e.V.  Aline Koch, Sozialpädagogin Linn Köhler Nicky Koschine Prof. Dr. Till Kössler Jens Kotjatko-Reeb Nicole Krosch Vorstand des Kulturbühne Neustadt e.V.  Kulturverein Blendwerk e.V. Kulturwerkstatt Grüne Villa Kunst- und Kulturverein Südliche Innenstadt e.V. (Lila Drache) Kunstraum – Galaxie Neuer Künste Henriette Kupke Bettina Kupke, 1. Vorstandsvorsitzende der Akademie für Ost-West-Begegnungen e.V. Elisabeth Kupzok Zita Labedzki E. Lang, Oma gegen Rechts Kathrin Lau Jakob Liese-Held Bianca Lübbe, Kulturmanagerin und Lehrerin Iris Marie Melhus Jonathan Menne Dana Michaelis Mio e.V. Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V. Mitmischen e.V. Yves Müller Claudia N. Netzwerk Musikveranstaltende Halle Objekt 5 OMA GEGEN RECHTS Halle Max Osmann Katrin Parthier Team der Passage 13 Nils Pawlak Pfälzer Ufer e.V. Plan3 e.V.  Postkult e.V. Astrid Queck Torsten Raab, Puschkino, Betreiber ⏐ Redore Gym / Kollektiv für Sport und Kultur e.V. Yoli Reeb Reil Sechsundsiebzig GmbH  resonant e.V. Andreas Riebe, Betreiber Charles Bronson Riesenklein gGmbH Steffen Röder Martin Roggenbuck ROSA e.V Roter Stern Halle e.V. Tabea Roth Sven Schmidt, Maler / Grafiker Jonas Schneider, Jazzkollektiv Halle e.V. Friederike Schöppe Franziska Schott, Diplomrestauratorin Alexander Schulze Kay Schuster Katrin Schuster Praxis für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Dipl. Päd. Matthias Schütze Dominique Schwarz Hannes Schwedat Dr. Patric Seibert, Hausregisseur und Dramaturg an der Oper Halle SJD – Die Falken, Landesverband Sachsen-Anhalt Slamdancer Sozialistische Jugend – Die Falken, Kreisverband Halle (Saale) Anna-Maria Spicher Jan Sprenger Station Endlos – Endlos Industries KG Styler Berg Tanja Szallies TARMAC e.V. teilAuto, Mobility Center GmbH Alexander Terhorst Ida Thalheim Frank Thalheim  Franziska Thalheim Mirko Thieme Ingenieurbüro für Tragwerksplanung Dipl.-Ing. Matthias Tresko M.A. Luzie Trültzsch Jugendbildnerin und Berufsschhullehrkraft ver.di Sachsen-Anhalt Süd ver.di Jugend Sachsen-Anhalt Süd Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. Michael Viebig, Leiter der Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle (Saale) VL-die Kneipe Vorstand des Corax e.V. – Initiative für Freies Radio Wachsalon e.V. Prof. Dr. Patrick Wagner, Historiker Prof. Dr. Jens Walldorf Katharina Warda Alma Weber Karoline Weigert Arwed Weinhold Dr. Weirowski Elsa Weise Moritz Winter WohnUnion e.V. Jens Wulfänger Zazie Kino und Bar Susanne Zeh-Voß, Vorstand Freundeskreis der Komponistenklasse Halle e.V. Prof. Dr. Olaf Zenker, Professor für Ethnologie an der MLU Peter Zorn, Vorstandsvorsitzender für die Werkleitz Gesellschaft e.V. ZweifachLebenSchoen GmbH