Am Freitag, 7. Oktober 2022 (Vladimir Putins 70. Geburtstag) wurde der Friedensnobelpreis vergeben, an drei Preisträger:innen: an Ales Bjaljazki, belarussischer Dissident und Menschenrechtler, der sich momentan in politischer Gefangenschaft befindet, zweitens an das Center for Civil Liberties, eine ukrainische Menschenrechtsorganisation für Demokratisierung, sowie drittens an Memorial, eine Menschenrechtsorganisation, die sich international für die Aufarbeitung der Verbrechen des Stalinismus in der Sowjetunion einsetzt.
Die russische Abteilung der Organisation Memorial mit Sitz in Moskau und St. Petersburg steht schon länger auf der Liste der "ausländischen Agenten" und ist mit juristischer Repression konfrontiert. Ziel der Organisation ist es, die Folgen des Stalinismus aufzuarbeiten, dazu verwaltet sie u.a. das Archiv mit der größten Sammlung historischer Dokumente stalinistischer Verbrechen. Außerdem engagiert sie sich weltweit für die Belange der Überlebenden der GULags sowie für deren Familien und die nachkommenden Generationen, etwa Flüchtlinge und Menschen im Kaukasus. Diese kritische Perspektive ist nicht erwünscht in der staatlichen Geschichtserzählung des russischen Regimes unter Putin; das Engagement solcher Organisationen stört das Narrativ einer heldenhaften Sowjetunion mit Stalin als russischen Nationalhelden .
Mit als erstes nach Inkrafttreten des "Gesetz über ausländische Agenten" von 2012 wurde auch Memorial als "ausländischer Agent" eingestuft und somit unter staatliche Beobachtung gestellt. Letztes Jahr im Dezember 2021 hat diese Kriminalisierung der Menschenrechtsorganisation als "ausländischer Agent" nochmal eine neue Stufe erreicht: mit dem Urteil über das Verbot von Memorial. Die Einstufung als "ausländischer Agent" verpflichtet nämlich dazu, alle Veröffentlichungen und Erzeugnisse zu kennzeichnen , also auf jedes Schriftstück drauf zu schreiben "wir sind ein ausländischer Agent". Dieser Auflage, die offensichtlich eine bürokratische Schikane ist, sei die Organisation nicht nachgekommen, woraufhin letzten Winter ihr Verbot beschlossen wurde.
Die Moskauer und St. Petersburger Sitze der Organisation Memorial befindet sich also schon lange im Fadenkreuz der russischen Regimes.
Genau in diese Situation fiel nun die Verleihung des Friedensnobelpreises.
Dazu und zu der momentanen Stimmung in der Organisation ein Gespräch mit Dr. Anke Giesen, Mitglied des Vorstands von Memorial Deutschland sowie des Vorstands von Memorial International.
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