Nachrichten und ganz generell die mediale Berichterstattung sind stets Ausschnitte aus einem viel größeren Ganzen, d.h. bestimmte Ereignisse werden ausgewählt, priorisiert und thematisiert, während andere Ereignisse unbeleuchtet und ungesehen bleiben. So weit, so bekannt. Wo wir als Konsument:innen von Medien nicht berücksichtigen, dass wir nur ein Teil von einem viel größeren, komplexeren Bild sehen, wird das, was wir sehen, notwendigerweise zu einem Zerrbild der Wirklichkeit. Schnell gerät aus dem Blick, dass sich der mediale Diskurs alles andere als wertneutral verhält.
Objektivität ist zwar das wichtigste Credo journalistischer Praxis - in einer Gesellschaft, die von ungleichen Machtverhältnissen bestimmt wird, bleibt der Anspruch einer möglichst unvoreingenommenen und vor allem ausgewogenen Berichterstattung jedoch schwer realisiert. Vielmehr findet mediale Berichterstattung nicht selten innerhalb eurozentrischer Raster statt. Das zeigt sich auch exemplarisch in der Art und Weise, in der in westlichen Medien über Kriege und Krisen berichtet werden. Schauen wir hierzulande, stehen im Zentrum der Berichterstattung nach wie vor der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Krieg in Nahost zwischen der Hamas und Israel oder auch die derzeitigen militärischen Auseinandersetzungen mit den Huthi-Rebellen im Mittelmeer. Zahlreiche Kriege, Konflikte und Katastrophen - insbesondere jene, die sich im Globalen Süden ereignen - sind, sofern überhaupt, eher Nebenschauplätze der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Dazu zählen u.a. der Bürgerkrieg in Äthiopien, der mit über einer halben Millionen Todesopfer zu den schwersten Krieg des 21. Jahrhunderts zählt; der Bürgerkrieg im Jemen, der schon seit fast 10 Jahren das Land beherrscht und eine unvergleichliche humanitäre Situation zementiert; die Kämpfe in Myanmar zwischen Rebellen und der antidemokratischen Militärjunta, die über 50.000 Menschen in die Flucht trieben; der Krieg im Sudan, wo Schätzungen zufolge über 8 Millionen Menschen auf der Flucht sind und eine Hungersnot droht; oder auch die politische und humanitäre Krise in Haiti, wo im vergangenen Jahr ca. 4.000 Menschen durch Konflikte zwischen rivalisierenden Banden ermordet wurden. Das sind nur wenige Beispiele, die völlig unzureichend in der hiesigen medialen Öffentlichkeit beleuchtet werden.
Umso relevanter ist die Frage, wann werden Kriege und Krisen nachrichtenrelevant?
Der Kulturwissenschaftler und Historiker Ladislaus Ludescher hat dazu jüngst eine Studie veröffentlicht, die Medien in den Blick nimmt und kritisch untersucht. Ladislaus Ludescher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Lehrbeauftragter am historischen Institut der Universität Mannheim. Die Medienuntersuchung zur westlichen Berichterstattung über globale Kriege ist Teil der Langzeitstudie - „Vergessene Welten und blinde Flecken“.
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