Spiritualität in der Postmoderne

Bei den aktuellen Protesten gegen die Corona-Maßnahmen von Corona-Leugner*innen scheinen sehr unterschiedliche Menschengruppen und Milieus auf einen Nenner zu kommen: Unter ihnen finden sich "ganz normale Menschen", die ihre Freiheit eingeschränkt sehen, oder für mehr Liebe plädieren, aber auch Verschwörungtheoretiker*innen, Esoteriker*innen und Neonazis protestieren mit ihnen Seite an Seite. Da stellt sich die Frage, was eigentlich dieser gemeinsame Nenner ist, der all diese Menschen nebeneinander marschieren lässt. Eine Erklärung findet sich vielleicht in einer der wichtigsten sozialwissenschaftlichen Texte des Soziologen und Ökonoms Max Weber. Max Weber interessierte „die Entstehung des bürgerlichen Betriebskapitalismus im beginnenden Zeitalter der Moderne mit seiner rationalen Organisation der freien Arbeit. Oder, kulturgeschichtlich gewendet, die Entstehung des abendländischen Bürgertums mit seiner Eigenart“. Die aber besteht in einem „spezifisch gearteten ,Rationalismus‘ der okzidentalen Kultur“. Max Weber spricht von einer Entzauberung der Welt seit der Aufklärung und meint damit den Rationalismus der Weltbeherrschung. Der Glaube daran, dass man, wenn man nur wollte, alles jederzeit erfahren könnte. Also gäbe es prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte, die da hineinspielen, sondern man könne vielmehr alle Dinge – im Prinzip – durch Berechnen beherrschen. Mit der Entzauberung der Welt verschwindet die Religion, verschwindet Spiritualität insgesamt, alles scheint berechenbar. Nicht mehr muss man zu magischen Mitteln greifen, um die Geister zu beherrschen oder zu erbitten, sondern technische Mittel und Berechnung leisten das. Dies vor allem bedeutet die Intellektualisierung als solche. Die These lautet nun, dass das, was Corona-Leugner*innen vereint, die Unsicherheit ist, ausgelöst durch eine sich immer schneller verändernde Welt und fehlende Erklärungsmuster, die früher einmal in religiösen oder spirituellen Weltanschauungen zu finden waren. Über diesen Prozess der Entzauberung der Welt und den gesellschaftlichen Auswirkungen sprachen wir mit dem Sozialwissenschaftler und Journalisten Andreas Speit, der sich mit dem Zusammenhang von völkischen Bewegungen und Spiritualität oder Esoterik beschäftigt hat.


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